Raus ins Freie: Die Natur ist noch gesünder als gedacht

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1. Juni 2016
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Wälder, Wiesen, Gärten, Felder: Draußen sein ist gut für Leib und Seele. Forscher wissen: Man muss nicht einmal joggen gehen. Und sie haben nachgewiesen, dass die Natur sogar als Therapie gut wirkt.

Menschen fühlen sich in einer grünen Umgebung einfach wohl. Achtung, damit ist keine Tapete gemeint. Sondern echte Natur. Es mag zudem eine Binsenweisheit sein, doch darin steckt ein ernster medizinischer Kern: Die heilende Wirkung von Grünflächen war schon den Ärzten im alten Ägypten bekannt. Sie verordneten ihren Patienten Gartenspaziergänge zur schnelleren Genesung. Damals kannte man weder Arbeitsecken in Großraumbüros noch Coffee to Go in Meetings oder sonstige Gründe, sich entfremdet unwohl zu fühlen.

Seit den 80er-Jahren wird dieser Gesundeffekt wissenschaftlich untersucht. Nun mehren sich sogar Studien, nach denen das Draußensein für Therapien genutzt werden kann. Gestresste Büromenschen und Eltern von internetaffinen Kindern haben nun wissenschaftliches Rüstzeug an der Hand, um Argumente für Waldspaziergänge zu finden.

Bereits im 18. Jahrhundert entdeckten Ärzte, dass Gartenarbeit gut für psychisch beeinträchtigte Menschen ist. In der Altenpflege, der Psychiatrie und der Sozialarbeit ist in den vergangenen Jahrzehnten die Therapieform des „Greencare“ in Mode gekommen. Wissenschaftlich untersucht ist sie bisher aber keineswegs.

Therapie im Garten – echter Nutzen oder Placeboeffekt?

Wissenschaftler der schwedischen Universität Göteborg wollten nun herausfinden, ob man diesen Effekt tatsächlich therapeutisch nutzen kann, oder ob die Gartentherapie nur ein Placeboeffekt ist. Die Forscher untersuchten, ob es für Frauen einfacher ist, mithilfe von Gartenarbeit den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu schaffen.

An der Studie von Eva Lidén und ihren Kollegen nahmen 244 Frauen zwischen 21 und 62 Jahren teil. Die Probandinnen litten alle an langfristigen Erkrankungen und waren auf staatliche Sozialleistungen angewiesen. Sie befanden sich körperlich und mental in schlechter Verfassung. Nach der randomisierten Aufteilung in zwei Gruppen erhielt eine Hälfte der Teilnehmerinnen zwei- bis viermal in der Woche eine Kombination aus praktischer Gartenarbeit, Bewegungsaktivitäten und mentalen Übungen, sowie ein zusätzliches Coaching für die Jobsuche.

Diese Art der Betreuung erwies sich im Verlauf der 14 Wochen dauernden Studie als eindeutig positiv: Der körperliche Gesundheitszustand der Teilnehmerinnen verbesserte sich. Sie fühlten sich besser, waren fitter und konnten wieder besser am Sozialleben teilnehmen.

Weniger Schmerzmittel beim Blick ins Grüne

Auch andere Studien belegen, dass man die Natur für die Gesundheit nutzen kann. So fand der Gesundheitswissenschaftler Roger S. Ulrich aus Texas bereits 1984 bei der Beobachtung von Patienten nach einer Gallenblasenoperation heraus, dass sie, wenn sie nach der Operation aus ihrem Krankenhausfenster ins Grüne schauen konnten, weniger Schmerzmittel benötigten. Ihre Wunden heilten zudem schneller, sodass sie die Klinik eher wieder verlassen konnten als die Patienten, durch deren Fenster nur eine Backsteinwand zu sehen war.

Auch die Psyche profitiert vom Grün. Die niederländische Arbeitsgruppe von Agnes van den Berg an der Universität Wageningen stellte fest, dass bei einem hohen Anteil an Grünflächen um den Wohnsitz schwerwiegende Lebensereignisse weniger belastend sind. Betroffene schätzen ihr psychisches Befinden als besser ein.

Bei Kindern, ermittelten norwegische Wissenschaftler um Ingunn Fjörtoft von der Telemark Universität, führen Spiel und Bewegung im Freien zu einer Verbesserung von motorischen, sprachlichen und mathematischen Fertigkeiten und fördern Konzentration und Leistungsfähigkeit.

Laufen – ob im Keller oder freiem Himmel

Die positiven Effekte, die sich bereits nach fünf bis zwanzig Minuten Aufenthaltsdauer im Grünen auf Psyche und Körper einstellen, scheinen gleichermaßen für die Menschen aller Kulturen zu gelten. Sie wurden für Probanden in Japan, Amerika und anderen Ländern belegt. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2010 von zehn Studien mit den Daten von insgesamt 1252 Teilnehmern ergab vor allem zu Beginn eines Aufenthaltes in grünen Landschaften starke Effekte hinsichtlich der mentalen Erholung. Wer draußen wanderte, im Garten arbeitete, Rad fuhr, fischte, Boot fuhr oder ritt, hatte bereits nach fünf Minuten seine geistigen Kräfte erholt. Dabei war es völlig egal, ob die Probanden sich im Park, in unberührter Natur oder in landwirtschaftlich genutzten Gebieten aufgehalten hatten.

Aber man muss sich nicht einmal körperlich bewegen, um vom Draußensein zu profitieren. Einen besonders eindrucksvollen Beweis dafür erbrachte eine Studie kanadischer Psychologen, die sie vor fünf Jahren im Fachjournal „Psychological Science“ veröffentlicht haben. Elisabeth Nisbet und John Zelenski von der Carleton-Universität in Ottawa teilten 150 Studenten nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen ein und ließen sie durch das Universitätsgelände laufen. Eine Gruppe durfte einen Weg unter freiem Himmel entlanggehen, die zweite Gruppe lief durch die Kellergänge der Uni zum selben Ziel. Für beide Wege wurden 17 Minuten benötigt, es regnete nicht und es herrschten herbstliche Temperaturen.

Diejenigen, die an der frischen Luft laufen durften, waren am Ende deutlich entspannter und besserer Stimmung als die Gruppe, die durch die Gänge laufen musste. Die unter freiem Himmel entstandenen positiven Reaktionen begünstigten außerdem das Gefühl der persönlichen Verbundenheit mit der Natur, so ein weiteres Untersuchungsergebnis.

Manchmal reicht es, den Park in der Nähe zu wissen

Und offenbar reicht es manchmal auch schon aus, zu wissen, dass in der Nähe ein Park ist: Je kürzer die Entfernung von zu Hause zur nächsten grünen Umgebung ist, desto geringer ist das Stressempfinden und desto höher ist die wahrgenommene seelische Gesundheit. Auch Ängste und Depressionen treten seltener auf.

Wer sich im Grünen aufhält oder auch nur grüne Landschaften betrachtet, tut also eine Menge für Körper und Geist. Das psychische Wohlbefinden steigt, Stress wird reduziert, der Körper entspannt sich. Herzschlag und Blutdruck reduzieren sich. Das kann sich positiv auf die Denkfähigkeit und die emotionale Stabilität auswirken. Zudem verbessern sich die Konzentrationsfähigkeit, die Aufmerksamkeit und somit auch die Arbeitsleistung.

Auch auf die Immunabwehr scheinen Wald und Felder einen positiven Effekt zu haben. Der Wert, den die Natur auf die Gesundheit des Menschen hat, kann also kaum unterschätzt werden. Ein Grund mehr, einfach aufzustehen – und ein wenig nach draußen zu gehen.

 

Quelle: http://www.welt.de/gesundheit/article156447797,  Autor Lajos Schöne

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